Friedrich Spee

Friedrich von Spee- ein Jesuit kämpft gegen den Hexenwahn
Von Christian Eder Friedrich von Spee traf 1627 in Köln ein, um am dortigen Jesuitengymnasium Metaphysik zu unterrichten. Der Fall der Katharina von Henot, die als Hexe beschuldigt und hingerichtet worden war, hatte kurz zuvor in der Stadt für erhebliches Aufsehen gesorgt und auch innerhalb des Jesuitenordens zu Diskussionen geführt. Es regten sich Zweifel am Urteil. Katharina von Henot war die Tochter eines Postmeisters, die nach dessen Tod das Geschäft weiterführte. Schön, tüchtig und selbst bewusst, erregte sie den Neid eines Konkurrenten, der sie mittels einer Intrige zwang, das Gewerbe aufzugeben. Danach führte sie ihrem Bruder, der Domherr und päpstlicher Notar war, den Haushalt. Von einer anderen „Hexe“auf der Folter denunziert, verteidigte sich Katharina zwar glänzend, wurde aber dennoch verhaftet, schwer gefoltert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt- bei der Gnade vorheriger Erdrosselung durch den Henker. Ein Dichter lieblicher Lieder Den Mut, den er mit seinem Eintreten gegen den Hexenwahn bewies, hatten ihm seine Ordensbrüder nicht unbedingt zugetraut. Wohl galt der 1591 geborene Friedrich von Spee selbst nach den hohen Maßstäben des Jesuitenordens als sehr gelehrter und höchst belesener Mann, aber seine wahre Stärke schien doch auf einem anderen Gebiet zu liegen: auf dem der Dichtkunst. Ungewöhnlich genug auch noch ein knappes Jahrhundert nach der Bibelübersetzung des Martin Luther, schrieb Friedrich von Spee seine geistlichen Lieder in deutscher Sprache. Erst kurz zuvor hatte Martin Opitz sein „Buch von der deutschen Poeterei“ herausgebracht, in dem er- noch etwas hölzern- die Eignung der deutschen Sprache für dichterische Zwecke propagierte. Pater Friedrich erwies sich schon in den Zwanzigerjahren des 17. Jahrhunderts als Meister der Sprache. Manche Texte haben bis heute überlebt, so etwa der „Trauer- Gesang von der Not Christi am Ölberg im Garten“. Sagt uns dieser Titel vielleicht nicht mehr so viel, so wird die Vertonung des Textes durch Johannes Brahms mancher kennen: In stiller Nacht, zur ersten Wacht, ein Stimm` begunnt zu klagen, der nächt`ge Wind hat süß und lind zu mir den Klang getragen; von herbem Leid und Traurigkeit ist mir das Herz zerflossen, die Blümelein, mit Tränen rein hab` ich sie all` begossen. Der schöne Mond will untergon, für Leid nicht mehr mag scheinen, die Sternelan ihr Glitzern stahn, mit mir sie wollen weinen. Kein Vogelsang noch Freudenklang man höret in den Lüften, die wilden Tier` traur`n auch mit mir in Steinen und in Klüften. (Der Text des „deutschen Volksliedes“ von Brahms ist gegenüber dem Original verändert, allerdings- so will es zumindest dem Autor scheinen- nicht verbessert, sondern klingt eher romantisch- süßlich). Friedrich von Spee wurde von seinen Ordensoberen viel in Deutschland herum geschickt, so nach Mainz, Speyer, Paderborn oder Würzburg. Zu dieser Zeit tobten in Deutschland der dreißigjährige Krieg und in seinem Gefolge Seuchen, Hungersnöte- und der Hexenwahn. Hexenbulle und Hexenhammer Zwar wurde die Inquisition, mit der die systematische Verfolgung angeblicher Hexen und Zauberer einsetzte, bereits im 13. Jahrhundert begründet, aber die schlimmste Zeit begann Ende des 15. Jahrhunderts. 1484 erließ Papst Innozenz VIII. die berüchtigte „Hexenbulle“, und 1487 verfassten zwei Dominikaner, Heinrich Institoris und Jakob Sprenger, eines der entsetzlichsten Bücher der gesamten Weltliteratur, den so genannten „Hexenhammer“ (malleus maleficarum). Darin wurde das Wesen der Hexerei minutiös und angeblich theologisch- wissenschaftlich beschrieben. Der Hexenhammer bildete die wichtigste Grundlage für all das Furchtbare, was in den kommenden Jahrhundert geschehen sollte. Inhaltlich strotzt er von Perversitäten- man kann es leider nicht anders nennen. Die Verfasser waren nach heutigen Maßstäben wohl schwere Sexualneurotiker. Passagen, die angebliche Unzucht der Hexen mit dem Teufel beschrieben, sind so widerwärtig, dass man sie kaum lesen kann. Zur Ehre der Zeit muss gesagt werden, dass dieses Machwerk und seine Autoren auch auf erhebliche Ablehnung stießen. So scheiterte Heinrich Institoris 1486 in Innsbruck kläglich. Sieben von ihm angeklagte Frauen wurden frei gesprochen, und der Fürstbischof von Brixen, Georg Golser, ließ Institoris ausrichten, er sei in der Diözese unerwünscht. Unverrichteter Dinge verließ der Inquisitor Tirol. Einer, der die Wahrheit spricht In der Bibliothek des Kollegs von Köln stieß der allezeit fleißig studierende Pater Friedrich auf das Werk eines Mitbruders: Adam Tanner aus Innsbruck. Tanner setzte sich im dritten Band eines Buches über die Justiz auch mit den Hexenprozessen auseinander. Er äußerte Zweifel- nicht mehr, aber auch nicht weniger. Friedrich von Spees eigene Zweifel wurden durch diese Lektüre bestätigt und erheblich verstärkt. Diese Zweifel waren nicht nur theoretischer Natur: Der Pater hatte so manche angebliche Hexe als milder und gütiger Beichtvater auf ihrem letzten Weg begleitet- und erschüttert festgestellt, dass alle diese unglücklichen Frauen völlig unschuldig waren. 1631 erschien in Rinteln an der Weser jenes Buch, das in die Geschichte eingehen sollte: Cautio Criminalis oder Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse. Es erschien anonym- aus gutem Grund. Der geistliche Stand schützte damals keineswegs davor, seinerseits in die Fänge der Inquisition zu geraten. Einige Geistliche, die sich gegen den Hexenwahn gewendet hatten, waren ihr bereits zum Opfer gefallen. Pater Friedrich legte sein Werk klug an. Keineswegs bestritt er die Existenz der Hexerei, denn eine solche Argumentation wäre zu jener Zeit, wo dieser Aberglaube bis in höchste kirchliche und weltliche Kreise verbreitet war, ohne Chance gewesen. Er untersuchte vielmehr die Hexenprozesse als solche und wies all ihre Fehler, ihre Unlogik und ihre zahlreichen Ungereimtheiten und Widersprüche überzeugend nach. Es ist noch heute eine reine Freude, den klugen und von tiefer Menschlichkeit getragenen Ausführungen des Autors zu folgen. Um nur einen Punkt heraus zu greifen: Friedrich von Spee fragt, was Folter und Denunziationen vermögen. Und seine Antwort, hunderttausendfach traurig bestätigt: Sie vermögen nahezu alles. Das Buch erregte gewaltiges Aufsehen bei Gegnern und Befürwortern. Die erste Auflage war im Handumdrehen vergriffen, und eine zweite musste erfolgen. Cautio Criminalis war ohne Druckerlaubnis der Ordensobersten des Jesuitenordens erfolgt. Aber der zuständige General hielt, als durchsickerte, wer der Autor sein könnte, seine schützende Hand über Friedrich von Spee. Innerhalb weniger Jahre erfuhr Cautio Criminalis weite Verbreitung. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Holland, Polen, Schweden oder Frankreich. Johann Philipp von Schönborn, Fürstbischof von Würzburg, verbot bereits 1642 alle Hexenprozesse in seinem Machtbereich. Das selbe tat er 1647, als er Kurfürst von Mainz geworden war. Man nimmt an, dass auch Königin Christine von Schweden unter dem Einfluss des Buches stand, als sie 1649 die sofortige Einstellung sämtlicher Verfahren befahl und die Freilassung aller angeblichen Hexen verfügte. Diese ersten Erfolge hat Pater Friedrich von Spee nicht mehr erlebt. Er starb 1635 in Trier an einer Seuche, die er sich bei der Pflege von Kranken in den Wirren des Krieges zugezogen hatte. Wie in der Widmung, die er seinem epochalen Werk Cautio Criminalis vorangestellt hatte, steht, als „einer, der die Wahrheit spricht“.